Von Kriminellen empfohlen

Im Frühjahr 2017 wurde DETEK unfreiwillig in einen Fall von Cyberkriminalität und Warendiebstahl verwickelt.

„Haben Sie mich observiert?“

„Haben Sie mich observiert? Haben Sie irgendwelche Daten über mich gesammelt?“, wollte ein Anrufer im Frühjahr 2017 wissen. „Ich frage, weil ich für Michael Ferguson Pakete versende.“

Als der Anrufer uns schließlich seinen Arbeitsvertrag schickte, staunten wir nicht schlecht: Bei wiederholten Fristverletzungen sollten wir angeblich Informationen über den Mitarbeiter sammeln – und diese an Strafverfolgungsbehörden weiterleiten. Nur weder das Berliner Büro noch andere Einsatzzentralen waren je in Kontakt mit einem Michael Ferguson gekommen.

Warenagent, Logistik-Assistent, Paketmanager, Versandmitarbeiter, Testkäufer

In den folgenden Monaten riefen bei DETEK zahlreiche Menschen an, die für „Michael Ferguson“ tätig waren: In seinem Auftrag nahmen sie zu Hause online bestellte Smartphones, Notebooks oder Designer-Brillen an. Aufgabe des Mitarbeiters war es nun, die Pakete neu zu etikettieren und anschließend ins Ausland zu schicken. Dafür sollten sie bis zu 20 Euro pro Stunde bekommen.

Wird via Anzeigen nach Warenagenten, Versandmitarbeitern oder Testkäufern gesucht, ist Misstrauen ratsam – auch, wenn die Webseite des Unternehmens seriös wirkt. Statt ihres Lohns erhalten die Mitarbeiter in der Regel Rechnungen für die Waren – oder sie machen sich strafbar, weil die Waren mit gestohlenen Kreditkarten bezahlt wurden.

Liebesgrüße nach Polen

Trifft das Paket bei der Adresse ein, die auf das Paket geklebt werden soll? Wird es noch einmal weiterversendet? Wo landet es zum Schluss? Um das herauszufinden, schlüpfte DETEK nach Rücksprache mit der Polizei selbst in die Rolle eines Warenagenten. Gemeinsam mit einem „Michael Ferguson“-Mitarbeiter gaben wir eines der Pakete auf. Zu dem Smartphone legten wir allerdings einen GPS-Tracker.

Sobald der Tracker anzeigte, dass die Warensendung nicht länger bewegt wurde, brachen zwei Ermittler auf. Das GPS-Gerät führte sie in ein Einkaufszentrum nach Polen. Obwohl es mitten am Tag war, kaufte kaum jemand ein. Nur die Hälfte der Geschäfte hatte überhaupt geöffnet. Viele Läden standen leer. In einem entdeckten wir durch die Rollläden einen Paketstapel – und mittendrin das Päckchen der DETEK.

Wer ist „Michael Ferguson“?

„Michael Ferguson“ stellte sich seinen Mitarbeitern über WhatsApp vor. Das Selfie, das er ihnen schickte, zeigt einen Mann mit dunklem, kurzen Haar und Drei-Tage-Bart. Er hält seinen Ausweis in die Kamera: ein Brite, geboren in den Achtzigern. Wahrscheinlich ist diese Fotografie genauso gestohlen wie die Kreditkarten, die für die Waren bezahlten.

Hinter Michael Ferguson und den angeblich von ihm betriebenen Webseiten www.albert-europe.net oder www.europaship.com verbirgt sich international organisierte Kriminalität. Diese Betrüger-Netzwerke bringen Online-Händler um Millionen von Euros. Die Waren werden zum Beispiel nach Osteuropa, Finnland oder Großbritannien verschickt und dort weiterverkauft. Gefasst werden die Cyberkriminellen nur selten. Sie nutzen Spitznamen und verschlüsseln ihre Internetzugänge.

DETEK als Partner der Polizei

Die Informationen, die wir herausfinden konnten, gaben wir selbstverständlich an die Polizei weiter. Im Verdachtsfall raten wir auch Ihnen, sich an die Strafverfolgungsbehörden zu wendenDas sächsische Landeskriminalamt erzielte nach sechs Jahren Ermittlungsarbeit im vergangenen Sommer einen durchschlagenden Erfolg: Nachdem sie in neun europäischen Ländern insgesamt 31 Wohn- und Geschäftsräume durchsuchten, konnten sie vier Kriminelle verhaften, unter ihnen den mutmaßlichen Chef der Bande.